Der „Braunschweiger Verständlichkeitstest“ (BSVT)

Der „Braunschweiger Verständlichkeitstest“ ist das erste und das einzige ganzheitliche Analyse- und Bewertungsmodell für die Verständlichkeit von Texten. Er liefert Ihnen detaillierte und exakte Informationen über die Verständlichkeit Ihrer Texte in fünf Kategorien:

  • Wortschatz

  • Satzbau

  • Semantik/Pragmatik (Bedeutungen)

  • Textaufbau

  • Leser-Orientierung

  • Layout.

So können Sie auf einen Blick erkennen, in welchem sprachlichen Bereich Sie Ihre Texte verbessern können.


Worauf basiert der BSVT?

Der Test ruht auf drei Säulen:

  • den Erkenntnissen der Textverständlichkeits-/Textverstehensforschung seit 1950.

  • Unserer über 30-jährigen praktischen Erfahrung in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen: in Schulen und Universitäten ebenso wie in mehreren Branchen der deutschen Wirtschaft (z. B Automobil-Industrie, Versicherungswirtschaft, Banken/Sparkassen, Wirtschaftsprüfer, Handel und Verlage).

  • Unseren empirischen Untersuchungen bei ca. 350 Versuchspersonen. D. h. wir behaupten nicht einfach, es bestünden bestimmte Verständnisprobleme. Wir haben das auch bei den „Kunden“ überprüft.


Wie funktioniert der BSVT?

Ein Beispiel (Auszug aus einem Versicherungstext):

Keine Ansprüche auf Tarifleistungen bestehen für Behandlungen durch Ärzte und Heilpraktiker, deren Rechnungen wir aus wichtigem Grunde von der Erstattung ausgeschlossen haben, wenn der Versicherungsfall nach Ihrer Benachrichtigung über den Leistungsausschluss eintritt. Sofern zum Zeitpunkt der Benachrichtigung ein Versicherungsfall bereits eingetreten ist, besteht kein Leistungsanspruch für die nach Ablauf von drei Monaten seit der Benachrichtigung entstandenen Aufwendungen.

Wie gehen wir vor, um den Text nach den oben genannten 5 Kategorien zu analysieren und zu bewerten?

Wortschatz

Wörter wie „Tarifleistungen“ und „Leistungsausschluss“ sind nicht allen Lesern geläufig. Es werden viele Hauptwörter verwendet (statt Verben). Dieser Nominalstil ist für Versicherungsbedingungen charakteristisch.

Satzbau

Satz 1 umfasst 32 Wörter. Sätze von mehr als 18 bis 20 Wörter gelten (auch bei einfachem Satzbau) als schwer verständlich. Außerdem ist der Satzbau komplex (auf den Hauptsatz folgen noch zwei Nebensätze).

Satz 2 enthält 25 Wörter. Der Hauptsatz ist „verschachtelt“: In die relativ einfache Aussage „besteht kein Leistungsausschluss für die Aufwendungen“ wird ein Klammerausdruck eingefügt: „nach Ablauf von drei Monaten seit der Benachrichtigung entstandenen. Das strapaziert unser Kurzzeitgedächtnis.

Semantik/Pragmatik (Bedeutungen)

Der Hauptwort-Ausdruck „nach Ihrer Benachrichtigung“ ist doppeldeutig. Er kann bedeuten:

  • nachdem der Versicherer den Versicherungsnehmer benachrichtigt hat, oder
  • nachdem der Versicherungsnehmer den Versicherer benachrichtigt hat.

Über 90% unserer Versuchsteilnehmer haben den Ausdruck falsch verstanden.

Beide Sätze weisen eine hohe Informationsdichte auf, d. h. es werden zu viele Informationen auf engstem Raum eingeführt.

Textaufbau

Die Kohärenz (der Sinnzusammenhang) zwischen Satz 1 und Satz 2 ist nicht optimal: Satz 1 endet mit den Worten „über den Leistungsausschluss eintritt“. Satz 2 beginnt mit „sofern zum Zeitpunkt …“.

Leser-Orientierung

Der Text ist „sachlich“ formuliert. Der einzige persönliche Bezug auf den Kunden ist das Wort „Ihre“. Damit entspricht der Text nicht den Anforderungen an einen modernen Kundendialog. Da spielt die Beziehungsebene eine wichtige Rolle, auch in juristisch geprägten Texten.

Layout

Die Schriftgröße liegt bei 7 pt. Und ist damit viel zu klein. Nach allen einschlägigen Gerichtsurteilen soll die Schriftgröße mindestens 8 pt. betragen. Aktuelle Urteile gehen sogar von mindestens 11 pt. aus.

Nach unseren Analysen des Textes mit dem BSVT könnte eine verbesserte Fassung des Textes z. B. so lauten:

In folgenden Fällen haben Sie keinen Anspruch auf Tarifleistungen:

Es hat Sie ein Arzt oder Heilpraktiker behandelt, dessen Rechnungen wir von Erstattungen ausgeschlossen haben. Wenn Sie eine solche Rechnung einreichen, zahlen wir also nicht.

Dabei gibt es allerdings eine Ausnahme: Wir haben Sie erst nach der Behandlung darüber informiert, dass die Rechnung von Erstattungen ausgeschlossen ist (also zu spät). In diesem Fall erstatten wir Ihnen selbstverständlich die Kosten. Dann aber nur bis zu drei Monate nach unserer Benachrichtigung.


Wie bewertet der BSVT einen solchen Text?

Wir haben alle Verständlichkeitsprobleme in den 5 Kategorien operationalisiert und gewichtet, je nachdem, wie weit das Verständnis beeinträchtigt ist. Operationalisiert und gewichtet haben wir aufgrund von zwei Vorgaben:

1. den Ergebnissen der Textverständlichkeitsforschung und

2. der Zahl der Verständnisprobleme, die bei unseren ca. 350 Versuchsteilnehmern beim Lauten Denken aufgetreten sind. So haben z. B. wir bei unserem Originaltext oben zwei Minuspunkte wegen mangelnder Leser-Orientierung vergeben und drei Minuspunkte wegen unklarer Bedeutungen (z. B. „nach Ihrer Benachrichtigung“).

Der Braunschweiger Verständlichkeitstest bewertet auf einer Skala von 0 – 100 Punkten. Je höher der Wert ist, desto verständlicher ist der Text.

Die Punkte-Skala haben wir nach den Vorgaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages in das Schulnotensystem übertragen. So erhält ein Text mit 95 Punkten die Note „sehr gut“ (1), ein Text mit 40 Punkten die Note „mangelhaft“ (5).

Der Text oben stand in einem Kontext von ca. 500 Wörtern. Der Gesamttext erhielt die Schulnote „ungenügend“ (6).

Wir haben den BSVT mit verschiedenen Textsorten und in mehreren deutschen Unternehmen evaluiert.

2012 haben wir Produktinformationsblätter namhafter deutscher Versicherungen mit dem BSVT bewertet. Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift „Versicherungswirtschaft“ 2012 erschienen.


Warum BSVT?

Die Leistungen des Braunschweiger Verständlichkeitstests sind aus zwei Gründen besonders attraktiv:

  1. Er misst, wie wir gesehen haben, die Verständlichkeit der Sprache umfassend, nicht nur in seinen zählbaren Aspekten (wie diverse Verständlichkeits-Softwareprogramme).

  2. Er zeigt bei jeder beanstandeten Textstelle konkret an, wie der Text verbessert werden kann. Auch das ist bei Computerprogrammen nicht der Fall.

 


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